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Inside 3D Printing Berlin: Leichtbau lernen von der Natur

Alleine im Jahr 2013 ist der Markt für additive Fertigungsverfahren um 35 Prozent gewachsen, so Terry Wohlers, einer der bekanntesten Branchenexperten und Eröffnungsredner auf der Inside 3D Printing. Entsprechend hoch war das Interesse an der diesjährigen Berliner Ausgabe der Fachkonferenz, die am vorigen Mittwoch zu Ende gegangen ist. Über 1.000 Teilnehmer pro Tag strömten in die Fachvorträge und tauschten sich in der begleitenden Ausstellung untereinander sowie mit insgesamt 40 Ausstellern, Sponsoren und Partnern der Konferenz aus.

Kernthemen waren bionische Ansätze für den Leichtbau in Luftfahrt und Automobilindustrie, die Möglichkeiten der Integration mehrerer Bauteile und Funktionen in ein „gedrucktes" Bauteil, die Kombination verschiedener Fertigungsverfahren sowie die Design-Möglichkeiten beispielsweise für die Spielzeug-, Mode- oder Schmuck-Industrien. Zu den Höhepunkten der präsentierten Fallstudien gehörte ein Vortrag zur Nutzung von 3D-Druckern auf der Raumstation ISS.

Zum Einsatz in der Raumfahrt sagte Jürgen K. von der Lippe, Geschäftsführer vdlconsult, in seinem gemeinsam mit Airbus erstellten Vortrag: „Es gibt viele Herausforderungen, die ein Astronaut auf der ISS hat, zum Beispiel ein defektes Werkzeug, eine gebrochene Klammer oder ein fehlendes Teil für ein Experiment. Und der nächste Ersatzteilladen ist hunderte von Kilometern entfernt." Der Nutzen, wenn man statt Ersatzmaterialien nur Konstruktionsdaten ins All liefern müsse, ist offensichtlich. So können sich Astronauten beispielsweise einen Schraubenschlüssel vor Ort drucken. „Allerdings bietet die Schwerelosigkeit auch die denkbar schwierigsten Bedingungen für den 3D-Druck."

Professor Claus Emmelmann, Leiter des Instituts für Laser- und Anlagensystemtechnik an der TU Hamburg-Harburg und CEO des Laser Zentrum Nord (LZN), legte in seiner Keynote die Chancen des Leichtbaus durch bionische Ansätze dar, also durch die Nutzung von Konstruktionsformen, die in der Natur vorkommen. „Weil additive Fertigungsverfahren eine hohe geometrische Freiheit bieten, ermöglichen sie ganz neue Leichtbau-Anwendungen, vor allem im Bereich der Luftfahrt." Schon heute gebe es viele „gedruckte" Bauteile in der Aviation, wenn auch bisher nicht in flug-kritischen Funktionen. Additive Manufacturing und Luftfahrt würden sich derzeit gegenseitig antreiben und auch der Automotive-Bereich setze an, in diesem Bereich zur Luftfahrt aufzuschließen.

Markthindernisse hinter sich lassen

Mark Trageser, Gründer von Kram-Co., inspirierte das Publikum mit seinem Vortrag, in dem er am Beispiel der Spielzeugindustrie aufzeigte, wie der 3D-Druck es ermöglicht „alles neu zu erfinden", „alles zu bauen, was man will" und herkömmliche Markthindernisse hinter sich zu lassen. Dank additiver Fertigung könne man viel flexibler auf den Markt reagieren. Man könne jederzeit die Größe, Farbe oder das Design von Spielsachen ändern, ein beliebig großes Produktportfolio pflegen und bekannte Herausforderungen hinsichtlich der Präsenz im Einzelhandel oder Probleme mit dem Zoll umgehen.

Zu der zweiten deutschen Ausgabe der Inside 3D Printing trafen sich Experten, Wissenschaftler, Dienstleister, Hersteller, Händler und Investoren sowie Fachleute verschiedenster Branchen, die mehr über den professionellen Einsatz des 3D-Drucks berichten und erfahren wollten. Die Teilnehmer konnten sich in fast 60 Konferenzsessions über das gesamte Spektrum des 3D-Drucks im professionellen Einsatz auf den aktuellen Stand bringen. Die Vorträge präsentierten Geschäftschancen, Praxisbeispiele und den aktuellen Forschungsstand zur Technologie.

Fotorealistische 3D-Modelle aus Papier

Zu den auf der Konferenz vorgestellten neuen Technologien gehörten die Kombination verschiedener additiver Fertigungsmethoden sowie die Kombination von 3D-Druck mit herkömmlichen Methoden. So stellte das deutsch-japanische Unternehmen DMG Mori seine Technologie vor, um 3D-Druck und Schweißen verbinden. Auch additive Fertigungsverfahren mit Glas und Porzellan machen laut verschiedenen Sprechern weiter Fortschritte. Das Unternehmen Mcor stellte einen 3D-Drucker vor, der durch das Aufeinanderkleben von exakt beschnittenen und an der Kante bedruckten Papieren farbige, fotorealistische 3D-Modelle herstellt. Dies lässt sich beispielsweise nutzen, um farbige 3D-Modelle von Designs, Verpackungen oder Bauvorhaben aus Papier zu drucken. Dr. Conor MacCormack, Mitbegründer und CEO von, Mcor Technologies: „Im Consumer-Geschäft ist Farbe unverzichtbar." Die hohe Qualität ließ sich anhand von 3D-Portraits erkennen, die in der Ausstellung zu sehen waren.

Weitere vielfach diskutierte Punkte waren die zunehmende Geschwindigkeit additiver Verfahren, die Bedeutung von Open Source und abgelaufenen Patenten für die Weiterentwicklung der Technologien. Ebenfalls mehrmals angesprochen wurde, dass die Politik mittlerweile additive Verfahren als wichtigen Wirtschaftsfaktor entdeckt hat und die Industrie in der Umsetzung unterstützt.

Qualität und Gewährleistung nur von Profis

Gerade angesichts des Hypes um 3D-Druck traten viele Sprecher aber auch Mythen und euphorischen Erwartungen entgegen. So erklärte Professor Olaf Diegel von der Universität Lund in seiner Keynote: „Der 3D-Druck wird konventionelle Herstellungsmethoden nicht ersetzen. Es ist eine komplementäre Technologie, die für bestimmte Produkte, auf die richtige Weise angewendet, große Vorteile gegenüber konventionellen Herstellungsmethoden birgt." Zahlreiche Redner betonten, Heimdrucker in Privatbesitz würden auf absehbare Zeit nicht in der Lage sein, mehr als 3D-Spielereien für den Hausgebrauch zu drucken. Qualitativ hochwertige Komponenten mit Gewährleistung würden auch in Zukunft ausschließlich im professionellen Bereich gefertigt werden. Hier geht es um Standards, Konstruktionsrichtlinien und die Definition von Toleranzen. Die Qualifikation von Bauteilen gehöre zu den wichtigsten Elementen der Wertschöpfungskette bei der additiven Fertigung.

Begleitet wurde die Konferenz von einer Ausstellung. Die Konferenzbesucher frequentierten die Stände ausgiebig, sowohl während der Pausen als auch während der Vortragszeiten. Die Aussteller, namhafte Unternehmen der Branche, zeigten sich entsprechend zufrieden. So sagt Andreas Berkau, Geschäftsführer des Ausstellers citim, eines Dienstleisters für additive Bauteilfertigung: „Wir waren sehr angetan von den vielen hochwertigen Kontakten, die wir auf der Inside 3D Printing knüpfen konnten. Begeistert hat uns zudem das fruchtbare Zusammenspiel von Vorträgen und Ausstellung. Die Vorträge haben die Zuhörer zum Besuch der Stände motiviert und dienten am Stand selbst als idealer Anknüpfungspunkt für den weiteren Austausch."

„Mix aus Anwendern, Spezialisten aus Forschung und Lehre"

Antonius Köster, Geschäftsführer der Antonius Köster GmbH & KG, einem Anbieter von innovativen 3D-Scan- und CAD/CAM-Lösungen, sieht dies ähnlich: „Wir waren überrascht von der Qualität der Besucher der Inside 3D Printing. Hier muss man die Grundlagen der Technologien nicht mehr erklären, sondern kann im Gespräch gleich ins Eingemachte gehen. Es war ein sehr guter Mix aus Anwendern und Spezialisten aus Forschung und Lehre vor Ort. Wir trafen aber auch Einsteiger mit konkreten Plänen oder Bedürfnissen rund um Additive Manufacturing. Die wertvollen Vorträge haben die Besucher zu tiefergehenden Gesprächen an den Ständen und in den Pausen inspiriert." Köster erwartet konkrete Geschäftsabschlüsse aus der Veranstaltung.

Und Ralf Carlström, General Manager des schwedischen Unternehmens Digital Metal, einem Tochterunternehmen von Höganäs, das seine Technologie zum Druck von Metall weltweit in den Ausstellungen der Inside 3D Printing präsentiert, meint: „Die Inside 3D Printing Berlin war perfekt organisiert. Wir sind noch relativ neu im 3D-Druck-Geschäft und die Ausstellung im Rahmen der Konferenz gab uns die Chance, unsere Technologie einem relevanten Publikum zu zeigen. Wir haben ohne Zweifel sehr spannende Interessenten getroffen."

Zentrale Fachkonferenz für Additive Fertigungsverfahren

Dr. Eric Klemp, Geschäftsführer des Direct Manufacturing Research Center (DMRC) der Universität Paderborn und Programmverantwortlicher der Konferenz, bilanziert: „Die Inside 3D Printing in Berlin hat auch dieses Jahr Maßstäbe gesetzt: Die Zahl und Fachkompetenz der Besucher, das Spektrum der angesprochenen Themen, die Internationalität mit Besuchern aus 46 Ländern, der enorme Wissenstransfer in nur zwei Tagen und die starke Vernetzung unter den Teilnehmern – das alles zeigt, dass die Inside 3D Printing hierzulande die zentrale Fachkonferenz für Additive Fertigungsverfahren ist. Die Industrie hat die Plattform für Erfahrungsaustausch und Wissenserweiterung gefunden, die der Branche lange gefehlt hat."

www.inside3dprinting.de

 

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