Als ein PC noch groß wie eine Garage war

uni jena Schneider URZ gu1970 lag der Weltrekord im 100-Meter-Lauf der Männer bei 9,9 Sekunden. Heute liegt er dank Usain Bolt bei 9,58 Sekunden – eine herausragende Steigerung, aber nichts gegen die Entwicklung in der Computertechnik. Als am 1. März 1970 das Rechenzentrum als eigenständige Einrichtung der Universität Jena gegründet wurde, benötigte der damals leistungsstarke Gründungs-Großrechner R 300 der Robotron-Elektronik Radeberg ein eigenes Gebäude in der Größe eines Einfamilienhauses und leistete 5.000 Rechenoperationen pro Sekunde.

Heute erledigt ein modernes Smartphone 5 Billionen Rechenoperationen. Doch die Nachfrage nach Rechenleistung und -qualität steigt permanent. Daher freut sich der neue Direktor des Jenaer Rechenzentrums Dr. Olaf Schneider sehr auf den Neubau am Inselplatz, wie er während des heutigen digitalen Festaktes zum 50. Geburtstag des Rechenzentrums betonte. Zumal das Rechenzentrum seinen Sitz noch immer im 1971 bezogenen DDR-Flachbau vom Typ „Erfurt" hat.

Zentraler IT-Dienstleister für Lehre, Forschung und Verwaltung

Die Corona-Pandemie hatte die eigentlich für das Frühjahr geplante Geburtstagsfeier des Universitätsrechenzentrums (URZ) verschoben. Doch neben den von ihr verursachten Problemen, war sie auch ein Antreiber für Innovationen und Veränderungen im IT-Bereich: „Das Universitätsrechenzentrum und seine IT-Dienste sind in den letzten Monaten stärker in den Fokus gerückt. Unter dem Druck der Krise wurden in manchen Bereichen lange aufgeschobene Umstellungen auf digitale Prozesse in Angriff genommen. Auch innerhalb des URZ haben wir Prozesse optimiert, beispielweise bei der Behandlung und Kommunikation von Störungen. Dabei ist mir die Vernetzung und der Austausch von aktuellem Wissen mit allen Bereichen der Universität wichtig. Nur so kann das Rechenzentrum seine Aufgabe als zentraler IT-Dienstleister für Lehre, Forschung und Verwaltung erfüllen“, so Schneider, der im Dezember 2019 vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) an die Universität Jena wechselte.

Einziges privates Datennetz in der DDR

Dienstleister sollte das Rechenzentrum bereits bei seiner Gründung sein. Gestartet mit 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wuchs die Beschäftigtenzahl bis 1989 auf 104 Personen. Nach der Wende wurde die Anzahl auf 38 Beschäftigte reduziert und liegt heute bei rd. 100 Personen. Anders als die personelle verlief die technische Entwicklung: 1979 ersetzte ein ESER EC 1040 den R 300. Im Frühjahr 1983 wurden Bildschirmarbeitsplätze eingeführt, was ein bedeutender Meilenstein in der Entwicklung der Datenverarbeitung war. Die Programmierer konnten nun interaktiv ihre Programme testen und mussten nicht mehr warten, bis ihre Lochkartenstapel irgendwann im Laufe des Tages abgearbeitet wurden. 1985 nahmen Maschinen zur Speichervirtualisierung und virtuelle Maschinen den Betrieb auf, die noch heute zum Einsatz kommen. Und nachdem 1987 ein Teil der Technik im Uni-Turm, dem heutigen JenTower, untergebracht wurde, entstanden erste Überlegungen zum Aufbau eines Kerndatennetzes an der Universität. Dieses wurde 1988 mit der Verlegung eines Glasfaserkabels zwischen dem URZ am Johannisfriedhof und dem Uni-Turm realisiert. Damit wurde Geschichte geschrieben, denn es war einmalig in der DDR, ein privates Datennetz zu betreiben.

Nach der Wende wurde das URZ passend zu den neuen Aufgaben umstrukturiert in die Bereiche Netze, zentrale Anlagen, Technik, personelle Dienste, Verwaltung – und der Netzausbau wurde zur Hauptaufgabe erklärt. Nachdem der Netzauf- und -ausbau die ganze Universität und inzwischen auch viele Partner umfasste, begann 1996 die „Multimedia-Zeit": Teleteaching, -seminare und Telemedizin begannen ebenso wie der Aufbau der „digitalen Bibliothek".

Dienstleistungszentrum für alle Thüringer Hochschulen

Heute beherbergt das Rechenzentrum ca. 1.200 Server, davon 330 für das wissenschaftliche Rechnen. Der Gesamtspeicher im URZ beträgt 38 Petabyte auf Band und als Plattenspeicher. Doch selbst dieses technische Equipment ist fast vollständig ausgelastet, denn die Aufgaben des URZ haben sich gewandelt: Neben der Infrastrukturbereitstellung und -betreuung steht die Kunden- und Serviceorientierung. Und dies als ein Dienstleistungszentrum für alle Thüringer Hochschulen. „Das URZ steht vor der Aufgabe, möglichst alle Hochschulprozesse der Forschung, Lehre und Verwaltung bestmöglich zu unterstützen“, so Direktor Schneider und verweist darauf, dass neue Dienste eingefordert werden, etwa Forschungsdatenverwaltung, Science-Clouds und der Zugang mit mobilen Endgeräten. Und nicht zuletzt muss die Sicherheit kontinuierlich erhöht werden, denn Viren gibt es nicht nur im medizinischen Bereich wie die Cyberangriffe auf Hochschulen in der jüngsten Zeit bewiesen haben. „Diesen Herausforderungen müssen wir uns stellen, Personal binden, unser Serviceangebot anpassen und up-to-date sein in neuester Technologie, die sich ständig weiterentwickelt“, betonte Olaf Schneider. Doch er ist optimistisch, schließlich wurden die Herausforderungen der Corona-Pandemie nach anfänglichen Schwierigkeiten bisher gut bewältigt, so dass man etwas beruhigter ins Wintersemester starten kann. Noch beruhigter wird er sein, wenn man ins neue Rechenzentrum auf dem Inselplatz einziehen kann. Ob das dann für die nächsten 50 Jahre ausreicht, wird die Zukunft zeigen.
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