Sachsen-anhaltisches Tech-Startup „NorcSi“ liefert Lösungen für Ausbau der Elektromobilität

Die Elektromobilität gehört zweifelsfrei zu den zentralen Säulen der Energie- und Mobilitätswende. Doch, obwohl die Kosten für heutige Elektrofahrzeuge inzwischen wettbewerbsfähiger werden, hapert es noch an einer breiten Akzeptanz.

Ein häufig genannter Grund: eine zu geringe Reichweite der Energiespeicher. Dort setzt die „NorcSi GmbH“ an. Das sachsen-anhaltische Startup entwickelt in Halle (Saale) neue Möglichkeiten für die Batterietechnologie. Damit können Akkus leistungsfähiger und kostengünstiger hergestellt werden.

Was im jungen Unternehmen im „Weinberg Campus Innovation Hub“ entwickelt wird, dürfte bald vor allem in der Elektromobilität große Aufmerksamkeit erzeugen. Das Team von „NorcSi“ hat eine Technologie erdacht, mit der kostengünstig Silizium-Elektroden für künftige Akku-Generationen hergestellt werden könnten. Damit würde sich einiges ändern. In Laptops, Smartphones, Drohnen und in Elektroautos – überall stecken üblicherweise Lithium-Ionen-Batterien. „Mit unseren Silizium-Anoden kann deren Speicherkapazität deutlich gesteigert werden“, sagt Geschäftsführer Udo Reichmann. „Im Vergleich mit den konventionellen ist die Kapazität unserer Anode zehn Mal höher. Dadurch hat die Batterie mindestens die doppelte Reichweite einer Autobatterie.“

Die Innovation steckt im Detail.

Die Innovationen in der Batterietechnologie des Unternehmens gründen sich vor allem auf Silizium – einen Rohstoff, der umweltunbedenklich und gut verfügbar ist. Silizium zu nutzen, ist keine neue Idee. Die Neuerung steckt im Detail. Um die zu erkennen, ist ein tiefer Blick in die Batterie nötig. Silizium durchläuft beim Laden und Entladen eine Volumenänderung. Dadurch werden die Strukturen brüchig. Die Batterie verliert an Leistung und versagt am Ende komplett. „Mit unserer Technologie stellen wir Silizium-Nanostrukturen her, die der Volumenänderung genügend Raum verschaffen“, erklärt Mitgründer Dr. Marcel Neubert, „so bleiben die Anoden intakt und damit auch die Batterien.“ Und die innovative Technologie aus Sachsen-Anhalt offenbart noch einen weiteren Vorteil: Sie könnte helfen, Gewicht zu sparen. Wichtig ist das in Bereichen wie der Luftfahrt, wo jedes Gramm zählt. Udo Reichmann nennt noch weitere Einsatzgebiete: „Auch Drohnen, Tablets oder Laptops könnten noch leichter und gleichzeitig leistungsfähiger werden.“

Über zehn Jahre Grundlagenforschung

Die Idee hinter der patentierten Technologie geht zurück auf ein Kooperationsprojekt zwischen dem Maschinen- und Anlagenbauer „Rovak“, dem Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) und der Technischen Universität Bergakademie Freiberg. Über ein Jahrzehnt wurde dabei aus Grundlagen eine anwendbare Technologie entwickelt. „Ohne die zurückliegenden Jahre in der Grundlagenforschung wären wir heute nicht mit einer solchen zukunftweisenden Technologie unterwegs“, ist sich Udo Reichmann sicher. „Die Partner haben nicht nur immer wieder die Theorie durchdrungen, sondern Ideen gleichzeitig aus Anwendersicht hinterfragt. Erst durch diese unterschiedlichen Sichtweisen wurde das wahre Potenzial des Vorhabens sichtbar und letztlich realisierbar.“

Exzellentes Netzwerk in Halle (Saale) gefunden

Aus dem Ergebnis jahrelanger gemeinschaftlicher Forschung wuchs im vergangenen Jahr die „NorcSi GmbH“, die ihren Sitz am Weinberg Campus in der sachsen-anhaltischen Saalestadt hat. „Die Entwicklung neuer Materialien und Werkstoffe ist hochgradig komplex und die Charakterisierung entsprechend aufwändig. In Halle haben wir Zugang zu einem exzellenten Netzwerk an Partnerinnen und Partnern aus der Wissenschaft sowie der Industrie gefunden. Das hilft, unsere Entwicklung nochmals zu beschleunigen“, sagt Udo Reichmann. Beschleunigt werden weitere Vorhaben des Unternehmens auch durch die Zusammenarbeit mit dem Interdisziplinären Zentrum für Materialwissenschaften der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU). „Die Möglichkeiten an der MLU sind exzellent“, lobt der Geschäftsführer und verweist auf ein erstes gemeinsames Forschungsvorhaben, mit dem die Entwicklung der eigenen Silizium-Anoden 2.0 vorangetrieben werden soll. Das Technologieunternehmen setzt auf Langlebigkeit. „Wir denken schon drei bis fünf Jahre in die Zukunft“, so Dr. Marcel Neubert. Unterstützung für seine Vorhaben erhält das Team vom „Startup-Beschleuniger-Programm“ des „Weinberg Campus“ in Halle (Saale) und einem „Accelerator“-Programm. „Alle Gründer haben zwar bereits zwei Jahrzehnte Unternehmenserfahrung im Gepäck, aber unser Unternehmen ist trotzdem ein klassisches Hightech-Start-Up“, meint Neubert. „Wir bauen gern auf die Unterstützung, um an Venture Capital zu kommen, mit dem wir uns weiterentwickeln können.“

Bald ein verlässliches Produkt liefern

Aktuell fertigt die „NorcSi GmbH“ Referenzbatterien für Tests zur Leistungsfähigkeit und Haltbarkeit. Parallel werden die Ergebnisse in einem vorindustriellen Produktionsprozess übertragen, sodass bald erste Silizium-Anoden für die industrielle Erprobung ausgeliefert werden können. Ein nächstes Ziel ist, mit einem ersten Referenzkunden eine Pilotanlage zu bauen, um die Silizium-Anoden in Kleinserien zu testen. Udo Reichmann sagt: „Wir wollen bald ein verlässliches Produkt liefern und in ein, zwei Jahren unsere Technologie in industrielle Formate skalieren.“ Im halleschen Unternehmen sollen künftig jedoch nicht nur die eigenen Silizium-Anoden für Hochleistungsbatterien optimiert, sondern noch weitere Komponenten entwickelt werden, die sich speziell auf die Silizium-Anoden abstimmen lassen. „Derzeit sind wir als Technologieentwickler unterwegs“, meint Reichmann. „Für uns ist später jedoch alles denkbar: Wir könnten ein Maschinen- und Anlagenbauer oder ein Anoden-Lieferant werden.“

Ideale Ausgangssituation für die Positionierung in der Wertschöpfungskette

Sicher ist, meint der Unternehmer weiter, dass „NorcSi“ in Halle (Saale) wachsen wird. „Mit unserem Standort in Sachsen-Anhalt bedienen wir die Ost-West-Achse der künftigen Elektroautofertigung“, so Udo Reichmann. „Von unserem Firmensitz lassen sich in knapp zwei Autostunden fast zwei Drittel Batteriewerke erreichen, die derzeit in Planung sind.“ Das sei „eine ideale Ausgangssituation, um sich in der Wertschöpfungskette zu positionieren.“ Zugute käme der Firma auch, dass es in der Region eine jahrzehntelange Erfahrung in der Silizium-Photovoltaik gibt, die ablesbar sei an Fachkräften, neuester Analytik und geballtem Know-how. Und noch etwas ist allen im Startup wichtig, weiß Reichmann: „In Sachsen-Anhalt summieren sich die Anteile der regenerativen Energie auf 61,5 Prozent. Wir könnten hier umweltschonend produzieren.“
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