Carbon Footprint von Spritzgießmaschinen

Arburg berechnet aussagekräftige Product Carbon Footprints

Arburg beschäftigt sich schon seit langem intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz. Als Anbieter von Allrounder-Spritzgießmaschinen ist der Maschinenhersteller zunehmend aktiv, um für seine Kunden Klimaschutzaktivitäten entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu bewerten.

Auf Basis der ISO TS 14067:2018, einer Norm, die die Treibhausgasemissionen eines Produktes bzw. den Product Carbon Footprint (PCF) definiert, hat Arburg untersucht, wie sich der PCF und der spezifische Energiebedarf seiner Spritzgießmaschinen berechnen lassen.

Im Rahmen des Green Deals der Europäischen Union wird die Reduzierung des Carbon Footprints von Unternehmen und ihren Produkten stark gefördert. Um die strengen gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen und eine klimaneutrale Produktion bis 2050 zu erreichen, müssen Unternehmen ihre Energie- und Ressourceneffizienz in Zukunft deutlich steigern. Entsprechend ist Nachhaltigkeit für viele europäische Kunststoffverarbeiter derzeit ein wichtiges strategisches Thema.

Gesetzlich verankert: Klimaneutralität in Deutschland bis 2045
Das deutsche Klimaschutzgesetz geht noch einen Schritt weiter und fordert eine 65-prozentige Reduktion der CO2-Emissionen bis 2030 und Klimaneutralität bis 2045. Der international anerkannte Standard für die CO2-Bilanzierung - das Greenhouse Gas Protocol - berücksichtigt verschiedene Emissionsbereiche (Scopes). Spritzgießmaschinen gehören zum Scope 3, der die indirekten Emissionen aus vor- und nachgelagerten Geschäftsprozessen umfasst. Als Maschinenhersteller beteiligt sich Arburg aktiv und umfassend an der CO2-Bilanzierung, um verlässliche und vergleichbare Kennzahlen zu liefern und die ambitionierten Klimaziele zu erreichen. Dies wird auch durch die überdurchschnittlich gute Bewertung "B" im Carbon Disclosure Project (CDP) belegt.

PCF - Produkt-Kohlenstoff-Fußabdruck
Im Gegensatz zum Corporate Carbon Footprint (CCF), der für ein ganzes Unternehmen auf Jahresbasis berechnet wird, umfasst der Product Carbon Footprint (PCF) die Mengen an Treibhausgasen, die über die gesamte Lebensdauer eines Produkts emittiert und entfernt werden. Ausgedrückt als CO2-Äquivalent, ist der PCF ein wichtiger Indikator in der Ökobilanz. Die Richtlinien für die Quantifizierung und Berichterstattung sind in der internationalen Norm ISO TS 14067:2018 festgelegt.
Die erste relevante Frage für Spritzgießer ist der Kohlenstoff-Fußabdruck, mit dem die vom Hersteller produzierte Maschine im Werk ankommt. Arburg zieht in seiner "Cradle to Gate"-Analyse die zugehörige Systemgrenze von der Rohstoffgewinnung über die Herstellungsphase bis zum Werkstor. Auf diesen Zeitraum entfallen jedoch nur etwa fünf Prozent der CO2-Emissionen. Über den gesamten Produktlebenszyklus ("cradle to grave") fällt der größte Teil des PCF in der Nutzungsphase beim Kunden an, hinzu kommen die Emissionen bei der Distribution und Entsorgung.

Arburg erfasst die CO2-Emissionen bis zur fertigen Spritzgießmaschine in vier Prozessschritten: Lackierung oder Beschichtung, mechanische Be- und Verarbeitung, Elektrofertigung und Montage. Diesem Ablauf und den weiteren Phasen des Produktlebenszyklus lassen sich die eingesetzten Rohstoffe und der jeweilige Strombedarf zuordnen

Rohstoffbedingte CO2-Emissionen
Die Stückliste einer Spritzgießmaschine kann aus bis zu 11.000 Einzelteilen bestehen, bis hin zur einzelnen Schnecke. Zur besseren Überschaubarkeit fasst Arburg die Rohstoffe in acht Materialgruppen zusammen. Ein Allrounder besteht demnach zu mehr als 55 Prozent aus kunststoffbeschichtetem Gusseisen, weitere rund 35 Prozent aus Stahl und Blech (heiß behandelt, lackiert, kunststoffbeschichtet oder unbehandelt). Kunststoffteile, Antriebe und elektronische Komponenten machen nur etwa sieben Prozent des Gesamtgewichts aus.
Die Materialgruppen unterscheiden sich deutlich in den CO2-Emissionen, die bei ihrer Herstellung entstehen. Entlang der Verteilung lässt sich jedoch ein gewichteter Mittelwert ermitteln. Dieser so genannte Emissionsfaktor liegt für einen Allrounder bei 1,83 [kg CO2-Äquivalent pro kg Produkt]. Das CO2-Äquivalent für die komplette Spritzgießmaschine entspricht also dem Emissionsfaktor multipliziert mit dem im Datenblatt angegebenen Produktgewicht

Ein Hybrid-Allrounder 570 H mit 2.000 kN Schließkraft und einem Nettogewicht von 8.300 kg verursacht also bei seiner Herstellung rohstoffbedingte Emissionen von rund 15.190 kg CO2. Bei einem 3.300 kg schweren Allrounder der Größe 370 mit 600 kN Schließkraft liegt das CO2-Äquivalent bei rund 6.040 kg.

Strombedingte CO2-Emissionen bei der Herstellung
In der Herstellungsphase trägt auch der Strombedarf zum PCF bei. Bezogen auf das Jahr 2020 wird ein Strombedarf von 878,94 kWh pro 1.000 kg Produkt und ein Emissionsfaktor von 0,366 [kg CO2-Äquivalent pro kWh] für den deutschen Strommix als Grundlage für standardisierte Berechnungen herangezogen
Auf Basis des deutschen Strommixes ergibt sich für den Allrounder 370 H ein Strombedarf von 2.900 kWh und ein CO2-Äquivalent von rund 1.160 kg. Für den Allrounder 570 H beträgt der Strombedarf demnach 7.295 kWh und die Emissionen rund 2.670 kg CO2.

Diese Beispielrechnung lässt sich allerdings nicht 1:1 auf Arburg übertragen, da das Unternehmen rund 60 Prozent seiner Allrounder-Komponenten selbst herstellt. Arburg fertigt seine Produkte ausschließlich am zentralen Standort in Loßburg, Deutschland. Dabei werden klimaneutrale erneuerbare Energien wie Photovoltaik, Windenergie und Geothermie sowie Kraft-Wärme-Kopplung eingesetzt. Seit 2016 stammt der regional eingekaufte Strom vollständig aus ökologischen Quellen. Das bedeutet, dass der Emissionsfaktor für den "Arburg-Strommix" nur noch 0,17 statt 0,366 beträgt.

Konkret bedeutet dies, dass das strombedingte CO2-Äquivalent beim Allrounder 370 H nur noch 490 statt 1.160 kg beträgt, beim Allrounder 570 liegen die Emissionen bei 1.240 statt 2.670 kg CO2. Aufgrund der hohen Fertigungstiefe und des nachhaltigen Strommixes bedeutet dies, dass in der Herstellungsphase einer Arburg-Spritzgießmaschine rund 53 Prozent weniger Emissionen in Form von Strom anfallen als im deutschen Durchschnitt.

Rechnet man die rohstoff- und strombedingten Emissionen hinzu, ergibt sich bei einer "Cradle to Gate"-Betrachtung ein CO2-Äquivalent von 6.530 kg für den Allrounder 370 H und 16.430 kg für den Allrounder 570 H.
Zum Vergleich: In Deutschland verursacht jeder Mensch einen durchschnittlichen CO2-Fußabdruck von rund 12.000 kg pro Jahr, abhängig von Faktoren wie Konsum, Mobilität, Wohnen und Ernährung.

Anwendungsbezogener Carbon Footprint im Einsatz
Rund 95 Prozent des PCF einer Spritzgießmaschine entfallen auf ihre Nutzungsphase. Wie viele Emissionen sie im täglichen Betrieb tatsächlich verursacht, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Bereits bei der Auswahl des Kunststoffs, dem Produktdesign und der Konstruktion des Spritzgießwerkzeugs werden wichtige Entscheidungen getroffen. Eine wichtige anwendungsbezogene Größe ist dabei der spezifische Energiebedarf [kWh pro kg], der sich aus dem Stromverbrauch pro Materialdurchsatz errechnet. Als Faustregel gilt: Je kürzer die Zykluszeit und je höher das Schussgewicht, desto kleiner der spezifische Energiebedarf und desto besser das CO2-Äquivalent.

Maschinenausstattung entscheidend
Entscheidend für den spezifischen Energiebedarf ist, ob die Spritzgießmaschine über einen elektrischen, hybriden oder hydraulischen Antrieb verfügt. Auch spielt es eine Rolle, ob Ein- oder Zweikreis-Pumpentechnik oder Hydraulikspeicher zum Einsatz kommen und Optionen wie servoelektrisches Dosieren oder Auswerfen zur Ausstattung gehören.
Merkmale, die gleichzeitige, dynamische und schnelle Bewegungen und damit kurze Zykluszeiten ermöglichen, wirken sich positiv auf den Carbon Footprint im Einsatz aus. Gleiches gilt für den Schneckendurchmesser und die installierte Leistung - je größer das Schussgewicht und je geringer die Leistungsaufnahme, desto besser. Kurzum: Eine exakt auf die Anforderungen und Prozesse abgestimmte Maschinenausstattung kann den Energiebedarf deutlich verbessern. Arburg unterstützt seine Kunden bei dieser Aufgabe mit viel Know-how in der Anwendungs- und Verfahrenstechnik und nutzt die Vorteile der modularen Maschinentechnik.

Messung des Energiebedarfs nach EUROMAP 60.2
Die Empfehlung EUROMAP 60.2 bildet die Grundlage für die Ermittlung des Energiebedarfs von Spritzgießmaschinen in einem kundenspezifischen Prozess. Um einen objektiven Vergleich verschiedener Maschinenkonzepte zu ermöglichen, werden Messungen bei durchschnittlicher Leistungsaufnahme unter einheitlichen Vorgaben in einem definierten Bereich durchgeführt und dokumentiert. Die Werte sind abhängig von der Maschinentechnologie sowie von der Auslastung und der Art der Anwendung. So ist beispielsweise der spezifische Energiebedarf für die Produktion von technischen Formteilen in kleineren Stückzahlen per se deutlich höher als für die Produktion von schnelldrehenden Verpackungsartikeln.

Die Messergebnisse zeigen, dass elektrische Maschinen im Vergleich zu hydraulischen Standardmaschinen rund 50 Prozent weniger Energie benötigen. Je geringer der Materialdurchsatz, desto deutlicher sind die Unterschiede. Aber auch die CO2-Bilanz kann durch energieoptimierte hydraulische Maschinen deutlich reduziert werden.
Anwendungsbeispiel
Im Rahmen einer Praxisanwendung hat Arburg verschiedene Szenarien untersucht: Zum Einsatz kamen hydraulische und elektrische Allrounder der Baureihen S und Alldrive in den drei Größen 370, 570 und 820 mit Schließkräften von 600, 2.000 und 4.000 kN. Unterschieden wurde zwischen hydraulischen Antrieben mit Zweikreis-Pumpentechnik (T2) und elektrischen Antrieben in der Leistungsvariante "Comfort".
Es wurden zwei Artikel hergestellt: ein technischer Artikel aus PA66 (GF30) in einer Zykluszeit von 30 Sekunden bei 50 Prozent Plastifizierleistung und ein Verpackungsartikel aus PP in einer Zykluszeit von fünf Sekunden bei 100 Prozent Plastifizierleistung (Abb. 7). Die CO2-Emissionen wurden auf der Basis des deutschen Strommixes berechnet.

Der elektrische Allrounder 820 A mit einem Durchsatz von 115,2 kg/h verursachte beim Spritzgießen der Verpackung Emissionen von 1,07 kg CO2 pro kg Kunststoffmaterial. Die elektrische Maschine der Größe 370 emittierte beim Spritzgießen des technischen Artikels mit einem Durchsatz von 4,2 kg/h etwa doppelt so viel (2,13). Beim hydraulischen Allrounder 370 S lag dieser Wert sogar bei 4,43.

So viel zur Beispielstudie. Je nach Anwendungsfall kann es hiervon Abweichungen geben. Im Einzelfall hängt die tatsächlich verbrauchte Leistung von der Einschaltdauer, der Auslastung und dem Wirkungsgrad der angeschlossenen Verbraucher ab. Diese Faktoren werden wiederum durch den Spritzgießprozess beeinflusst. Generell lässt sich jedoch sagen, dass der Energiebedarf bei beiden Antriebsarten mit steigendem Materialdurchsatz abnimmt. In jedem Fall verursacht eine elektrische Maschine rund 50 Prozent weniger CO2-Emissionen. Das gleiche Ergebnis zeigt sich, wenn die CO2-Emissionen konsequent auf Basis des Materialdurchsatzes berechnet werden.

Die CO2-Emissionen für die Herstellung des Kunststoffgranulats und weitere Verbraucher wie Peripheriegeräte zur Temperierung der Formen oder die Hallenklimatisierung (Abwärme und Kühlung) sind in dieser Analyse nicht enthalten. Der Energiebedarf und damit die CO2-Emissionen der Peripheriegeräte steigen vor allem bei technischen Artikeln stark an und können anteilig sogar über denen der Spritzgießmaschine liegen. Der für ein einzelnes Spritzgussteil berechnete Carbon Footprint ist eine weitere interessante Kenngröße.

Fazit
Für Spritzgießmaschinen lässt sich ein aussagekräftiger "cradle to gate"-Fußabdruck ermitteln. Rohstoffe haben einen etwa zehnmal größeren Einfluss auf den Product Carbon Footprint als der Stromverbrauch während der Herstellungsphase. Lokale Lieferketten, eine hohe Fertigungstiefe und der Einsatz von erneuerbaren Energien können sich positiv auf den Fußabdruck auswirken.
Der PCF in der Nutzungsphase hängt von vielen Faktoren ab. Hier ist eine spezifische Fallstudie erforderlich. In der Regel sinkt der spezifische Energiebedarf einer Spritzgießmaschine mit ihrer Auslastung. Darüber hinaus verursachen elektrische Maschinen je nach Ausstattung und Materialdurchsatz bis zu rund 50 Prozent weniger CO2-Emissionen als hydraulisch angetriebene Maschinen.
Das Ziel für die Zukunft ist es, eine wissenschaftlich fundierte, ganzheitliche Ökobilanz für Spritzgießmaschinen berechnen zu können. Dies wird einen wesentlich größeren Aufwand erfordern. Genau daran arbeitet das Institut für Kunststoffe und Kreislaufwirtschaft (IKK) der Leibniz Universität Hannover unter der Leitung von Professor Hans-Josef Endres, unter anderem in Zusammenarbeit mit Arburg.

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