Trendbericht zur COMPAMED 2014: Visionen der Zulieferer für die Medizintechnik - wenn die Herzklappe aus dem Drucker kommt

Eines der größten Technologie-Unternehmen der USA plant nun auch in den 3D-Druck einsteigen. Das Management des IT-Riesen Hewlett-Packard glaubt, dass der Weltmarkt für 3D-Drucker sowie zugehörige Software und Dienstleistungen von 2,2 Milliarden im Jahr 2012 auf 11 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021 anwachsen wird. Experten des amerikanischen Marktforschungsunternehmens International Data Corporation (IDC) gehen wiederum davon aus, dass in diesem Jahr 67 Prozent mehr 3D-Drucker verkauft werden als im vergangenen Jahr.

Ein Einsatzgebiet mit großem Potenzial ist der medizinische Bereich – bis hin zu der Vorstellung, künftig ganze Organe mit dem 3D-Drucker zu erschaffen. Deshalb verwundert es nicht, dass der 3D-Druck auch bei der diesjährigen COMPAMED in Düsseldorf eine wichtige Rolle spielen wird.

Zur international führenden Fachmesse für die Zulieferer der Medizintechnik-Industrie (12. - 14. November/ parallel zur MEDICA 2014) haben gut 750 Aussteller eine Fläche von fast 13.000 Quadratmetern gebucht - eine neue Bestmarke, seit dem Veranstaltungsstart 1992.

„Der 3D-Druck stellt in der Tat eine spannende Kombination aus Material- und Prozesstechnik dar. Auf die Fortschritte in diesem Gebiet, die zur COMPAMED 2014 präsentiert werden, darf man sehr gespannt sein", erklärt Horst Giesen, Director COMPAMED + MEDICA/ Messe Düsseldorf.

Wissenschaftler der Universitäten Harvard, MIT, Sydney und Stanford haben gemeinsam einen umfassenden Forschungsbericht erstellt, den Fachleute für einen großen Schritt im medizinischen 3D-Druck halten. Nach eigenen Angaben stellt die Studie einen Durchbruch dar, wie 3D-Gewebe mit Blutgefäßen gedruckt werden können. Entscheidend für die Funktion von Organen ist die Blutzufuhr, die die Versorgung mit ausreichend Sauerstoff sicherstellt sowie Abfall- bzw. Giftstoffe aus dem Blutkreislauf entfernt. In dem Bericht der Wissenschaftler wird ein Lösungsweg beschrieben, wie Blutgefäße mit einem 3D-Drucker hergestellt werden können. Zum Einsatz kommt dafür ein spezieller Drucker, der kleinste miteinander verbundene Fasern ausdrucken kann. Diese Druckform entspricht nahezu der Gefäßstruktur eines menschlichen Organs. Die Fasern erhalten anschließend eine Beschichtung mit menschlichen Zellen und einem besonderen Protein, das das Zellwachstum anregen soll.

Auch deutsche Forscher von der Technischen Universität Berlin und dem Deutschen Herzzentrum Berlin arbeiten an Lösungen aus dem 3D-Drucker. Die Vision von Prof. Hartmut Schwandt, Leiter des 3D-Labors an der TU Berlin, besteht darin, künftig echte Herzklappen aus menschlichen Zellen zu drucken. Basierend auf einer Computertomografie (CT) könnte maßgeschneidert für den jeweiligen Patienten ein Herzklappengerüst gedruckt werden, das dann mit körpereigenen Zellen besetzt wird – so entstünde die echte Herzklappe. Für das Gerüst ist ein spezieller Kunststoff vorgesehen, der vom Körper abgebaut wird, zunächst aber die Konstruktion in der richtigen Form hält. Nach Angaben von Schwandt wird das benötigte Zellmaterial aus einer Gewebespende generiert und über einen Tissue-Engineering-Prozess in einem Bioreaktor über mehrere Monate herangezüchtet. Anschließend steht es für die Besiedlung des Herzklappengerüstes bereit.

Unter dem Label „3D fab + print" wird die Messe Düsseldorf alle COMPAMED-Aussteller mit Angeboten zu 3D-Druck in einer Übersicht für die Besucher besonders „ausflaggen".

Energieversorgung – auch in der Medizin ein spannendes Thema

Immer stärker in den Fokus rücken derzeit auch Mikrosystemtechnik-Lösungen (MST) für Implantate, am Körper getragene Messtechnik (so genannte „Wearables") und für kompakte Medizintechnik – hierfür wird nicht nur die notwendige Sensorik, die für die Funktionalität sorgt, sondern vor allem auch eine sichere Energieversorgung benötigt. Entsprechende Batterien und Akkumulatoren, die sowohl als erste Energiequelle als auch als Back-up-System für Stromausfälle dienen können, müssen besonders leistungsfähig, klein und leicht sein. Eine Neuentwicklung in diesem Sinne bringt das britische Unternehmen Accutronics zur COMPAMED 2014 mit, das gerade für seine Hochleistungsbatterie „Chameleon" einen mit 100.000 englischen Pfund dotierten Preis von der Innovationsagentur des Vereinigten Königreichs erhalten hat. Die Lösung ermöglicht dank eines integrierten Mikrochips eine intelligente Kommunikation zwischen Akku und Ladegerät. Dadurch ist eine Steuerung möglich, die eine Spannungs- und Stromversorgung durch das Ladegerät nur bei Bedarf vornimmt. Das vermeidet nicht nur ein Überladen, sondern spart auch Energie. Die intelligenten Ladegeräte sind im Design, aber auch in der Verwendung flexibel, so können sie für die Aufnahme von Wechsel- oder Gleichstrom, mit Einzel- oder Mehrfachladeschacht ausgestattet werden. Im ersten Anlauf ist die neue Akku- und Ladegeräte-Serie CMX für den Einsatz bei Ventilatoren, Röntgendetektoren, Vernebler, Patientenmonitore und Datenschreibern in der Endoskopie vorgesehen.

Gut besuchte Highlights - die Foren der COMPAMED

Gut besuchte Highlights im Rahmen der COMPAMED sind auch stets die Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen COMPAMED HIGH-TECH FORUM des IVAM Fachverbandes für Mikrotechnik in Halle 8a und das COMPAMED SUPPLIERS FORUM der Fachzeitschrift Device Med in Halle 8b. Das COMPAMED SUPPLIERS FORUM bietet Themen entlang der gesamten Prozesskette. Eines davon sind MR-kompatible Instrumente (MR = Magnetresonanztomografie), wie sie die Firma EpFlex vorstellen wird in Gestalt eines Führungsdrahtes und des ersten steuerbaren MR-tauglichen Kathetersystems. Die Instrumente sind als Einmalprodukte ausgelegt, so dass keine Reinigung der Komponenten erforderlich ist und eine zuverlässige Funktion garantiert wird.

Neue Anwendungen für die kleinste Kamera der Welt

Über weitere Anwendungsmöglichkeiten der kleinsten Kamera der Welt, der „AWAIBA NanEye", wird AWAIBA-Chef Martin Wäny beim COMPAMED SUPPLIERS FORUM informieren. Das digitale Kameramodul misst gerade mal 1 mal 1 mal 1,4 Millimeter – hat also nicht einmal die Größe eines Stecknadelkopfes und wird unter anderem in der Endoskopie eingesetzt. Einzelne Chips ermöglichen kleinere, flexible endoskopische Geräte, Stereo- und Mehrfachkameras lassen eine 3D-Visualisierung bzw. Mehrfachwinkel-Aufnahmen zu. Weitere Vorträge beschäftigen sich mit der drahtlosen Übertragung von Echtzeitvideodaten, die in einigen Krankenhäusern bereits Realität ist, und mit einem komplexen Prozess zur Herstellung von sterilen Tüchern.

Nicht minder spannend sind die Themen beim COMPAMED HIGH-TECH FORUM in der Nachbarhalle 8a. Zahlreiche Firmen werden Innovationen zu Mikrooptik, Lasertechnologie und zu diversen bildgebenden Verfahren vorstellen. Die optischen Themen erhalten grundsätzlich seit einigen Jahren zunehmend Einzug in den Produktmarkt. Grund dafür sind etwa stetig steigendende Ansprüche an die Genauigkeit und Präzision. Darüber hinaus haben sich optische Verfahren, z. B. durch minimalinvasive Diagnostik oder bei der Bildgebung, als patientenfreundlich erwiesen. Ein weiteres, aktuell bedeutsames Gebiet umfasst die Mikrofluidik in verschiedenen Ausprägungen wie Lab-on-a-Chip, Cells-on-a-Chip bzw. Organs-on-Chips. Basierend auf denselben mikrofluidischen Verfahren, die Lab-on-a-Chip ermöglicht haben, sind neue Entwicklungen in Sicht: Mithilfe von mikrofluidischen Chips können physiologische Prozesse, die im Körper ablaufen, simuliert werden. In sogenannten „Organs-on-Chip" werden lebende Zellen kultiviert, die genauso reagieren wie ein natürliches Organ. Damit lässt sich beispielsweise die Wirkung von Wirkstoffen oder Toxinen auf den menschlichen Körper testen.

Traditionell stark vertreten beim IVAM sind viele Hersteller von Sensoren für unterschiedlichste medizinische Anwendungen, unter anderem für den Trend-Bereich der „Wearables". Weiterhin werden funktionale Beschichtungen, miniaturisierte Komponenten und hochpräzise Verfahren (z. B. zur Qualitätssicherung) zu sehen sein. Der IVAM-Gemeinschaftsstand erreicht mit rund 45 internationalen Firmen und Forschungseinrichtungen in diesem Jahr eine neue Rekordgröße.

Ungeachtet von Produktthemen ist ein wesentlich Trend die zunehmende Internationalisierung: Insbesondere der Handel mit dem US-amerikanischen Medizintechnik-Markt seit laut IVAM momentan ein Thema für die europäischen Mikro-und Nanotechnikfirmen. Bei der parallel stattfindenden MEDICA, der mit mehr als 4.500 Ausstellern weltgrößten Medizinmesse, stellen die USA stets eine der größten internationalen Beteiligungen mit gut 400 Medizintechnik-Unternehmen. Diese Aussteller bilden demnach ein attraktives Kundenpotenzial für die Bearbeitung des US-Marktes aus Sicht der Zulieferer bei der COMPAMED.

Lab-on-a-Chip-Systeme auf dem Weg in die klinische Erprobung

Zurück zu den Produkttrends: Welche Möglichkeiten heute Lab-on-a-Chip-Systeme bieten, zeigt das Institut für Mikro- und Informationstechnik der Hahn-Schickard-Gesellschaft (HSG-IMIT). Der Einweg-Testträger aus Kunststoff hat etwa die Größe einer Compact Disk. Unter der Bezeichnung „LabDisc" hat das HSG-IMIT eine Technologieplattform entwickelt, mit der Immunassays und Nukleinsäureanalysen durchgeführt werden können. Als Pilotanwendungen stehen zeitkritische Diagnosen von bakteriell ausgelösten Entzündungsreaktionen bei Neugeborenen und die Qualitätssicherung von Lebensmitteln und Trinkwasser im Vordergrund. Das HSG-IMIT hat eine Pilotlinie mit Chargen von 10.000 bis 50.000 Tests aufgebaut. Solche Stückzahlen sind eine Voraussetzung dafür, dass die Leistungsfähigkeit der neuen Technologie in klinischen Studien nachgewiesen werden kann.

Bereits zum 19. Mal bei der COMPAMED vertreten ist maxon medical, Spezialist für hochpräzise Antriebslösungen in der Medizintechnik. „Dieses Anwendungsgebiet stellt heute unseren wichtigsten Bereich vor Industrieautomation, Automotive, Luft- und Raumfahrt dar. Rund 45 Prozent unserer Antriebskomponenten gehen in Insulinpumpen, Apnoegeräte, Prothesen, ophthalmochirurgische Geräte, Power Tools, Bestrahlungsanlagen und Chirurgieroboter", erklärt Albert Bucheli, Leiter Marketingsupport des schweizerischen Unternehmens. Welche Leistungen Präzisionsantriebe heute erbringen, belegt der Multilamellenkollimator für die intensitätsmodulierte Strahlentherapie, eine neue Technologie zur Krebsbekämpfung. Angetrieben von über 100 auf kleinstem Raum untergebrachten maxon-Motoren, passen sich die formverändernden Multilamellenkollimatoren des Strahlenfeldes, das um den Patienten rotiert, der jeweiligen Tumorform an. Anders ausgedrückt: Die Motoren sorgen dafür, dass die Öffnung für den Strahl immer exakt der Form des Tumors entspricht. Dies ermöglicht eine wirkungsvolle und umfassende, aber gleichzeitig schonende Strahlentherapie auch an vitalen Körperregionen. Ihr Einsatz minimiert Hot Spots und erlaubt eine homogene Modulation der eingesetzten Strahlendosis, ohne das umgebende, gesunde Gewebe zu schädigen.

Ob neue Materialien für antibakterielle Beschichtungen, für flexible und dehnbare Substrate im Bereich der Wearables oder für Hochleistungskeramiken in künstlichen Gelenkkomponenten, ob komplette Verpackungslinien für Sterilprodukte, Multi-Sensor-Systeme oder einzelne Bauteile und Komponenten – die COMPAMED ist die zentrale Zulieferer-Plattform, die alle Aspekte für Anforderungen an Medizintechnik abbildet.

www.compamed.de