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Klimaneutraler Chemiestandort

Schmierstoffspezialist Zeller + Gmelin mit Energiemanagement und Kompensation zu klimaneutraler CO2-Bilanz

Das Chemieunternehmen Zeller + Gmelin hat an seinem Hauptsitz im schwäbischen Eislingen Klimaneutralität erlangt. Zuvor wurde in zahlreichen Energieeinsparprojekten die Basis dafür geschaffen. Wir sprachen mit Gülen Ak über den CO2-Fußabdruck, die Umsetzung und Zertifizierung. Die Leiterin für Qualitäts-, Umwelt- und Energie-Management, Nachhaltigkeit und Klimaneutralität ist seit 24 Jahren bei dem Schmierstoffhersteller und zudem viele Jahre DQS-Auditorin bei Chemieunternehmen- und Konzernen.
Frau Ak, Sie haben im Vorfeld der Klimaneutralitätsbilanz bereits einige Hausaufgaben in Sachen Energieeffizienz erledigt, was waren das für Projekte? Wir haben im April 2019 damit begonnen ein Energiemanagementsystem nach ISO 50001:2018 einzuführen. Anhand dieser Energie- und Umweltnorm wird bei uns die Energieleistung kontinuierlich verbessert. Auch durch den sehr wertschöpfenden und anerkannten KEFF-Check nach der Förderrichtlinie „Regionale Kompetenzstellen Netzwerk Energieeffizienz (KEFF)“des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg wurden weitere Einsparpotentiale ermittelt und umgesetzt. Nach Umsetzung aller relevanten Normforderungen hat uns hierüber die DQS dann im November 2019 auch ein Zertifikat nach ISO 50001 ausgestellt.
Die Plattform für unsere Klima-Bilanz bildete das zertifizierte Energiemanagement. Dort hatten wir inzwischen schon viele Daten, Energiekennzahlen, Produktionskennzahlen, usw. hinterlegt, gesetzeskonform und mit dem Blick auf eine ständige Verbesserung unserer Energieleistung und Risikobetrachtung. Das wurde dann im Rahmen eines Energieplanungsprozesses umgesetzt.
Gleich vorweg, wie liegen Sie in der Bilanz?
Für ein produzierendes Unternehmen haben wir einen recht guten Wert erreicht. Insgesamt haben wir am Standort Eislingen für 2018 einen CO2-Ausstoß von 4.763 Tonnen ermittelt, das sind pro Mitarbeiter 8,68 Tonnen. Da liegen wir in einem mittleren guten Bereich.
Wie wichtig ist Ihnen dabei der Umweltgedanke?
In meinen 24 Jahren bei Zeller + Gmelin und habe von Anfang an den Umweltgedanken umgesetzt und dann 2007 das Umweltmanagementsystem nach ISO 14001 eingeführt. Wir haben also seit dreizehn Jahren kontinuierlich Umweltziele definiert und verfolgt, und dabei die Energie immer im Blick gehabt. Bis letztes Jahr wurde das Thema Energie noch über das Umweltmanagement abgedeckt, mit der neuen ISO Zertifizierung nach Energiemanagementkriterien haben wir dafür nun eine eigene neue Norm, nämlich ISO 50001:2018. Die meisten ISO-Normen sind mittlerweile an der „High Level Structure“ ausgerichtet, einer einheitlichen Grundstruktur für Managementsysteme, und dass macht die Umsetzung in einem integrierten Managementsystem viel einfacher.
War das dann alles nicht ziemliches Neuland für Sie?
Keineswegs. Als externe DQS-Auditorin für Qualitätsmanagement, Umwelt und Energie und Arbeitssicherheit bin ich seit Jahren bestens mit diesen Themen vertraut. In dieser Funktion führe ich unter anderem Audits bei großen Chemiekonzernen durch. Somit war es mir natürlich nicht neu, als wir bei uns die Themen Klimaneutralität und Energiemanagement auf den Weg brachten. Und ein Vorteil ist es zudem, beide Seiten zu kennen, nämlich die des Auditors und die des zu zertifizierten Unternehmens, auch wenn ich natürlich nicht beide Rollen gleichzeitig übernehmen darf.
Wie haben Sie den CO2-Fußabdruck dann konkret ermittelt?
Wir sind nach den Vorgaben des Greenhouse Gas Protocol vorgegangen, also dem Treibhausgasprotokoll als international anerkannten Standard zur Ermittlung der CO2- Bilanz. Hierbei hat uns das externe Institut von „Fokus Zukunft“ unterstützt. In einer speziellen Datenbank haben wir dann in Tabellenform sämtliche energierelevanten Parameter eingetragen. So wurden Wärme-, Kraftstoff und Stromverbrauch erfasst wie auch vorgelagerte Emissionen, Geschäftsreisen, Arbeitswege, Abfallaufkommen, Abwassermengen und vieles mehr, bis hin zu den Verbrauchsmaterialien in der Produktion und in den Büros. Die Erfassung ist in sogenannten Scopes, also Geltungsbereichen, von 1-3 genau geregelt.
War das nicht recht zeitaufwändig?
Unser großer Vorteil dabei war ja, wie schon erwähnt, dass wir ein integriertes Managementsystem verwenden und so einen Großteil der benötigten Daten wie Energieverbräuche, Produktionskennzahlen usw., quasi auf Knopfdruck ermitteln konnten. Dadurch können wir die Themen Qualität, Umwelt, Energie integriert in einem System abbilden, dass bedeutet, wir haben einen Prozess, den wir je nach Relevanz über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg betrachten können.
Was war Ihre größte Herausforderung?
Eine wirkliche Herausforderung waren dieGeschäftsreisen und die damit verbundenen Übernachtungen. Hierbei wurde ich von den Kollegen aus der Personalabteilung unterstützt. Es war eine Sisyphusarbeit im Nachhinein für das Jahr 2018 sämtliche Daten zu allen Geschäftsreisen zu ermitteln. Wichtig war dabei, welches Verkehrsmittel genutzt wurde, wo wurde übernachtet, usw., da sich dies unterschiedlich in der Energiebilanz berücksichtigt werden muss. Als Resultat dieser Recherchearbeit werden wir zukünftig ein integriertes Reisemanagement installieren, um auch hier die Reisedaten auf Knopfdruck zu erhalten. Bezüglich der Energiebilanz schlagen die Reisen mit 7 Prozent marginal zu Buche. Der geringe Reiseaufwand resultiert vor allem aus dem Umgang mit digitalen Medien. So nutzen viele digitale Medien und Videokonferenz und sparen manche Geschäftsreise.
Inwieweit werden Sie von den Kolleginnen und Kollegen bei Ihren Vorhaben unterstützt?
Die ganze Belegschaft wurde über das Intranet zu dem Projekt ausgiebig informiert, darüber hinaus von den Bereichsleitern. Mich haben dann auch ganz viele Kolleginnen und Kollegen bei meinen Rundgängen immer wieder angesprochen, dass sie so ein Projekt ganz toll finden. Auch von der Geschäftsleitung habe ich stets die volle Unterstützung erhalten. Schon nach kurzer Zeit haben mich Anfragen von den Auslandstöchtern erreicht, wann ich bei Ihnen das Energiemanagement umsetzen werde, damit sie eine Klima-Bilanz machen können.
Bemerkenswert ist hier die Energiebilanz der Arbeitswege. Diese schlägt sich nur mit 8 Prozent nieder. Viele unserer rund 500 Beschäftigten am Standort Eislingen wohnen in der Nähe, kommen mit öffentlichen Verkehrsmitteln, dem Rad oder gar zu Fuß. Das sind immerhin 140 Mitarbeiter, also ein Drittel der Belegschaft.
Um nachhaltige Arbeitswege zu fördern und im Zuge der Klimaneutralität, hatten wir 2019 auf einen Teil der Parkplätze eine moderne Fahrrad Garage für 50 Räder errichtet. Dadurch können 10 Prozent der Belegschaft ihr Fahrrad abgesichert unterstellen.
Können Sie einige Leuchtturmprojekte nennen?
Ein Leuchtturmprojekt war sicher die Modernisierung unserer gesamten Kühlwasseranlage, um Schwankungen der Vorlauftemperaturen zu reduzieren. Gleichzeitig hat das zu einer Erhöhung der Rückkühlleistung für das Kühlwasser geführt, das heißt zu einer besseren Nutzung der Energie aus dem rückfließenden Kondensat und Kühlwasser. Das ist für uns ein ganz nachhaltiger Aspekt, da die Anlage sehr energieeffizient mit einem hohen Wirkungsgrad arbeitet. Hierunter fällt auch die energetische Optimierung durch den Einsatz von Wärmepumpen, um die Restwärme besser auszunutzen, etwa für die Erwärmung von Brauchwasser.
Außerdem nutzen wir heute die Abwärme zum Kühlen der Rohstoffe oder zur Klimatisierung der Fertigungshallen mit deutlich angenehmeren Luftklima. Erwähnen möchte ich aber auch unsere modernisierte Kompressor-Anlage, die zudem einen Beitrag zu Digitalisierung und Industrie 4.0 bei Zeller + Gmelin leistet.
Ein weiteres Projekt von Bedeutung war unsere 2017 installierte „Computergesteuerte Dosieranlage für UV-Bindemittel“. Das war damals ein Exzellenzbeispiel im Rahmen der Initiative „100 Betriebe für Ressourceneffizienz“. Und last but not least unsere Wegeoptimierung innerhalb der Logistik. So wurde 2017 ermittelt, welche Wege der innerbetriebliche Transport täglich zurücklegt. Von den 135 größtenteils elektrischen Staplern, die über 80 Prozent unserer Fahrzeugflotte ausmachen, konnten 50 Prozent der Wege reduziert werden. Dies schlägt sich natürlich unmittelbar auf die CO2-Bilanz nieder.
In der Urkunde über die Klimaneutralität sind Kompensationen aufgeführt, was ist darunter zu verstehen?
Um den Standort trotz der aufwändigen Energieeinsparprojekte klimaneutral zu bekommen, haben wir zusätzlich Kompensationen erworben. Hierbei hatte ich Mitspracherecht darüber, für welche Projekte wir die Kompensationen einsetzen wollen. Wichtig war mir dabei, dass es sich um Projekte von Non-Profit- Organisationen handelt mit guten Standards und in Ländern in denen wir mit Tochtergesellschaften sehr aktiv sind. Wir unterstützen gezielt Biomasse- und Windkraft-Projekte in der Türkei, Indien und China – und eins ist auf jeden Fall sicher, selbst wenn wir für 2019 eine noch bessere Klimabilanz hinlegen, werden wir diese Projekte weiter fördern. Nebenbei, solche Projekte hatten wir auch schon unterstützt, noch bevor wir überhaupt das Thema Klimaneutralität angegangen sind.
Und wie geht es nun weiter?
Mittlerweile sind alle Standorte nach Qualitätsmanagement zertifiziert, selbst in China. Die Zentrale in Eislingen, England und Frankreich sind auch nach der Umweltnorm zertifiziert. Aber alle anderen Standorte erfüllen die Zeller + Gmelin-Umweltvorgaben.
Wir haben ein einziges System für alle Standorte, das heißt alle verwenden identische Prozesse, Verfahren, Dokumente, Formulare etc., und werden nach gleichen Vorgaben überwacht bzw. zertifiziert. Unsere gemeinsame Vision schlägt sich in unseren Umwelt- und Klimazielen nieder. Diese werden dann auf die einzelnen Standorte heruntergebrochen und konsequent umgesetzt. Auch in unseren KVPs wird nicht unterschieden zwischen „normalen“ Verbesserungsvorschlägen und Vorschlägen im Umwelt- und Energiebereich, das wollen wir noch stärker forcieren.
Wir realisieren momentan einen Neubau für unser Labor unter Klimaneutralitätsaspekten. Beispielsweise werden Personenaufzüge mit Photovoltaik betrieben und bei der Abwärtsfahrt wird sogar Strom erzeugt und rückgespeist. Zukünftig planen wir noch mehr Ökostrom zu nutzen, um die Klimabilanz nachhaltig zu reduzieren. Außerdem werden sich laufende Energieeinsparprojekte zum Beispiel in der Produktion positiv auf die Bilanz auswirken. Und wir könnten schließlich noch über klimaneutrale Energieträger Einsparungspotenziale realisieren.
www.zeller-gmelin.de

 

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