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Zwischen globalen Trends und lokalen Stärken: Weiterentwicklungen im Onlinedruck

Mainstream-Dienstleister, Innovationsführer, Kunsthandwerker und Verpackungshersteller sorgen für frischen Wind in der Web-to-Print-Landschaft.

Oft wird gesagt, das Internet habe den Zugang zu Informationen, Produkten und Dienstleistungen demokratisiert: Social Media steht im Ruf, die Interaktion zwischen Marken, Händlern und Verbrauchern angeregt zu haben; Amazon hat mittlerweile Käufer jeden Alters davon überzeugt, dass Online-Shopping sicher, komfortabel und lohnenswert ist. Und auch der digitale Kauf von Druckerzeugnissen – obwohl diese durchaus komplex sind – eröffnet viele Möglichkeiten für individuelle Anpassungen und kreative Gestaltungen.
Erste bescheidene Projekte zum Onlineverkauf von Druckprodukten gab es schon in den 1990er-Jahren. Erst im vergangenen Jahrzehnt aber wurde ein beträchtlicher Umsatz erreicht. Große Akteure setzen heute bei Service und Investitionen immer höhere Maßstäbe und erweitern überproportional ihre Produktpalette, ihr Serviceangebot und ihre geographische Reichweite. Das Internet ist dabei ein leistungsstarker, interaktiver Kanal und muss dementsprechend verstanden, eingesetzt und gefördert werden. Wenn Unternehmen ihr eigenes Erfolgsrezept finden und mittel- bis langfristig das digitale Wachstumspotenzial nutzen möchten, ist es wichtig zunächst einmal den Markt, bewährte Vorgehensweisen und auch die Aktionen der wichtigsten Anbieter zu analysieren:

1) Branchengrößen als Vorbild
In den USA und in Deutschland sind Unternehmen im Durchschnitt größer als anderswo – und die USA und Deutschland sind zweifellos auch die westlichen Länder, in denen das Konzept der geschäftlichen Konsolidierung und Konzentration am besten umgesetzt wurde. Ergebnis in den USA ist ein sehr großer Markt unter einer Flagge und mit einer Sprache. Giganten wie vistaprint.com mit dem dahinterstehenden Cimpress haben enormen Erfolg. Erfolgsfaktoren in Deutschland sind bedeutende Technologiehersteller, Fachmessen wie die drupa, Logistikinfrastrukturen, Fachkräfte sowie eine Kultur der Automatisierung. Die erfolgreichsten Onlinedruckereien setzen auf kulturelle und sprachliche Vielfalt, haben in ganz Europa Mitarbeiter, stellen eine Kundenservice-Infrastruktur in den unterschiedlichen Muttersprachen zur Verfügung und eröffnen manchmal auch nationale Tochtergesellschaften. Gute Beispiele sind onlineprinters.com, flyeralarm.com oder auch unitedprint.com. „Vier wesentliche Gegebenheiten im Onlinedruckmarkt sind speziell für unser Unternehmen vorteilhaft“, führt Michael Fries aus, Geschäftsführer der Onlineprinters GmbH. „Zunächst einmal gibt es immer noch eine große Zahl von Kunden, die von langsameren und teureren Beschaffungsprozessen zu schnelleren Onlinebestellungen wechseln. Ein weiteres Erfolgselement ist die zunehmende Internationalität unserer Aktivitäten. Zudem verlagern wir unseren Schwerpunkt immer mehr vom Druck zum E-Commerce, um zu günstigen Preisen einen hervorragenden Kundenservice zu bieten. Dann haben wir noch integrierte Prozesse und einen zentralisierten Einkauf – das ist nützlich für uns und unsere Tochterunternehmen“. Bei dem deutschen Unternehmen, das 1984 als klassische Druckerei gegründet wurde, sind mittlerweile über 1.400 Mitarbeiter tätig. Die Entwicklung von Onlineprinters macht deutlich, wie sehr ein günstiger geographischer Standort und der starke Wettbewerb mit anderen Traditionsunternehmen im gleichen Land die Qualität von Produkten und Serviceleistungen steigern können. „Wir streben immer noch eine zweistellige jährliche Wachstumsrate an, und wir sind überzeugt davon, dass die Umwandlung von kleinen, dezentralisierten Druckdienstleistern in große, industrielle E-Commerce-Modelle noch viele Jahre lang weitergehen wird. Bei uns ist es so, dass wir auch unser Sortiment erweitern: Wir bieten Gadgets, Textilanwendungen und sonstige Produkte an, die unsere Kunden beim Erreichen ihrer Marketingziele unterstützen. Das ist am Ende auch für uns erfolgsfördernd.“

2) Interdisziplinäre Verknüpfung dank Onlinedruck: Handwerk meets Design
Wenn der Onlineverkauf einer Demokratisierung gleichkommt, ist davon auszugehen, dass alle Druckunternehmen von dieser Geschäftschance gleichermaßen profitieren können – überraschenderweise sogar diejenigen, die keine eigenen Produktionskapazitäten haben, manchmal nicht einmal Maschinen. Zwingende Voraussetzung für den Erfolg ist lediglich, das generalistische Angebot hinter sich zu lassen, um etwas Besonderes aufzubauen. Die meisten vorausschauenden Unternehmer haben das verstanden. Die amerikanische Plattform mycreativeshop.com beispielsweise bietet ein großes Sammelsurium kreativer Lösungen mit der Druckproduktion als nur einem Element unter vielen an: Die Plattform ermöglicht es Kunden, ausgehend von einer umfassend anpassbaren Onlinevorlage ein Grafikdesign zu entwerfen, ohne dafür die Dienste eines Designers in Anspruch nehmen zu müssen. Sobald dieser Vorgang abgeschlossen ist, können die Projektdateien heruntergeladen und bei dem Anbieter des Vertrauens in Druck gegeben werden. „Als es um die Parameter meiner Geschäftsidee ging, fand ich Skalierbarkeit, Automatisierung sowie ein kleines, beziehungsweise fast nicht vorhandenes physisches Warenlager unverzichtbar“, so Jason Frueh, Gründer und CEO von MyCreativeShop. „Ich wusste damals praktisch nichts über die Welt von Design und Druck, ahnte aber schon, dass das Konzept aufgehen könnte.“ Alternativ zum externen Druckauftrag besteht die Möglichkeit, gleich über die Plattform die gewünschte Menge an Druckerzeugnissen zu bestellen, wie Jason Frueh erklärt: „Ein kleiner Prozentsatz der Nutzer gibt bei uns auch den Druck in Auftrag. Der Anteil am Gesamtumsatz liegt jedoch bei unter 25 Prozent. Die Druckproduktion ist die teuerste Einnahmequelle, da damit spürbare Kosten verbunden sind.“ MyCreativeShop nutzt die leistungsstarke automatisierte Publishing-Infrastruktur von CHILI publish. Dank dieses schlanken, skalierbaren Modells kann das amerikanische Unternehmen Kunden in aller Welt bedienen und dabei doch vergleichsweise klein bleiben. Ein anderes Beispiel für lokale Unternehmen ist der italienische Anbieter skillpress.it, an dem deutlich wird, wie man die Kunst der Typographie digitalisieren und in die Onlinewelt überführen kann. Die Logik der Standardisierung, die fast alle anderen Onlineanbieter kennzeichnet, wird hier durchbrochen. Bei Skillpress beschränkt man sich auf eine HP Indigo 12000HD und eine moderne Weiterverarbeitungsabteilung. Daraus ergibt sich die besondere Stärke des Unternehmens: die völlige Freiheit in Bezug auf Format, Substrat, Grammatur, Finish und Menge. „Wir investieren viel in Schulungen und beraten Kunden umfassend zu Papierauswahl, Veredelungsmöglichkeiten und Bindeverfahren“, erzählt CEO Maurizio Battiston. „Auf Wunsch fertigen wir auch Einzelexemplare – jedes Projekt wird von uns so bearbeitet, als wäre es unser einziges. Viele mögen das dumm und unwirtschaftlich finden – für uns ist es ein Erfolgskonzept, und die Kunden zollen uns dafür Anerkennung, quasi die Handwerker im Onlinedruckgeschäft zu sein.“

3) Neue Lösungen und Modelle im Zuge von Dekoration und Hypervertikalisierung
Schon bei der Entwicklung „konventioneller“ Druckprojekte spielt das Design des Endprodukts eine entscheidende Rolle. Bei etwas außergewöhnlicheren Anwendungen mit Materialien und Oberflächen, die wenig bis nichts mit Akzidenzdruck und Displaygrafiken zu tun haben, ist es sogar noch wichtiger. Dieser Bereich ist jedoch gewissermaßen Neuland. Die Lösungsentwickler erfüllen eine neue Drucknachfrage und grenzen sich mit ihrem Angebot oftmals komplett von anderen Druckdienstleistern ab. Die meisten haben spezifische Erfahrungen außerhalb der grafischen Industrie gesammelt; ihr Sortiment reicht von Stoffen und Tapeten über Fotopapier und Bildleinwand bis hin zu Geschenkpapier. Das ist beispielsweise der Fall bei dem amerikanischen Anbieter spoonflower.com, bei motiflow.com aus den Niederlanden und thecolorsoup.com aus Italien. Die drei Unternehmen unterscheiden sich in Größe und Hintergrund, haben aber alle eine starke Ausrichtung auf Textilsubstrate. Die wichtigste Gemeinsamkeit ihrer Plattformen ist das Angebot, eine einfache Druckausgabe mit einer unbegrenzten Auswahl an Designs und Mustern zu kombinieren, die nach Themen oder Farben durchsucht werden können und manchmal auch größenskalierbar sind. Konzipiert wurden die Elemente von jungen internationalen Designern, denen die Plattform Geschäftsmöglichkeiten eröffnet und Bekanntheit verschafft. Durch die offene, leistungsorientierte Haltung der Plattformen werden neue Beteiligte eingebunden, und ein spontanes Netzwerk aus Förderern von Druckinfrastrukturen entsteht. Andere Lösungsentwickler, etwa moo.com aus Großbritannien, legen ihren Schwerpunkt auf Nischenanwendungen. Der CEO Richard Moss formt das Unternehmen mit seiner Leidenschaft für extreme Designs und höchste Qualität. Davon ausgehend transformiert MOO das Visitenkarten-Segment, das von vielen anderen Anbietern als uninteressant empfunden wird. „Die Visitenkarte ist häufig das erste, was ein potentieller Kunde oder Investor von einem Unternehmen beziehungsweise Markenanbieter in der Hand hat“, stellt Amanda Champion fest, Marketing & Communications Manager bei MOO. „Mit einer sorgfältig gestalteten, hochwertigen Karte kann man sich in einem umkämpften Markt von anderen Anbietern abheben. Der Visitenkartenmarkt boomt – daran, dass in diesem Bereich allein in den USA jedes Jahr 600.000 neue Unternehmen entstehen, erkennt man schon das große Potential.“

4) Potential neuer Segmente ausschöpfen: Erfolgstrend Verpackung
Derzeit weist der Verpackungsmarkt die höchsten Volumen, Wachstumsraten und Margen auf. Gleichzeitig sind Verpackungen – abgesehen von Werbebehältern und Zubehörartikeln – aber auch das herausforderndste Segment. Bei der Verpackungsherstellung sind vielfältige Variablen zu beachten, etwa das Design von Vorlagen und Stanzmustern. Auch müssen strikte Qualitäts- beziehungsweise Sicherheitsstandards eingehalten und Sonderfarben fehlerfrei reproduziert werden. Wichtig sind zudem Verstärkungen, die Einbindung der Verpackung in industrielle Verfahren, die für Versand und Point-of-Sale-Präsentation erforderliche Robustheit sowie die Wirksamkeit bei Verbraucherinteraktionen. Insofern gibt es nach wie vor nur wenige Onlinedruckdienstleister, die Verpackungsdruck anbieten. Manchmal ist das Angebot auch auf einfache Produkte mit gängigen Papiersorten, -gewichten und -formaten beschränkt. Einer der Vorreiter auf dem Web-to-Pack-Gebiet ist der italienische Anbieter Packly. Das Softwareunternehmen ermöglicht Designern, Agenturen, kleinen Druckverarbeitern oder auch Newcomern, professionelle Verpackungen online zu gestalten, freizugeben und zu bestellen. „Wir hatten festgestellt, dass die Verpackungsbranche immer noch geprägt war von komplexen und teuren Produktionsverfahren, sodass ein großer Teil des Marktes gar nicht zugänglich war“, erläutert Giuseppe Prioriello, Gründer und CEO von Packly. „Deshalb haben wir eine Software entwickelt, mit der jederZugang zu digitalem Stanzen und 3D-Rendering erhält.“ Packly ist komplett webbasiert, aber auch per API zugänglich. In einer Bibliothek verfügbare Modelle sind hinsichtlich Größe und Material uneingeschränkt anpassbar; das eigene Grafiklayout kann angewendet werden. Am Ende des Verfahrens steht eine interaktive 3D-Vorschau. Nutzer haben dann die Möglichkeit, die generierte Stanzpfaddatei herunterzuladen und eine Bestellung aufzugeben. Auch Mikroaufträge für Faltschachteln können innerhalb weniger Tage bearbeitet und geliefert werden; für Digitaldruck und Stanzung wird Zünd-Technologie genutzt. Bei mittleren und großen Auflagen erfolgt der Druck mit Bogenoffsetdruckmaschinen von Koenig & Bauer, die Weiterverarbeitung mit BOBST-Verarbeitungslinien oder einem digitalen Cutter von Highcon. Die Etikettenproduktion ist ein separates Thema – auch dies ist ein großer und stark technisierter Markt, der für Onlinedruckdienstleister zumeist eher nebensächlich war. Man lieferte vielleicht Aufkleber oder kleine Rollen. Unerwartet präsentierte sich dann die CCL Group, ein weltweiter Großanbieter im Etikettenbereich, auf völlig neue Weise: Mit starker Kompetenz für selbstklebende Etiketten und einer Verarbeitungskapazität, die auch sehr anspruchsvolle Markenartikler zufriedenstellt, startete das kanadische Unternehmen Onlineportale wie etikett.de in Deutschland oder etichetta.it in Italien und übernahm auch etablierte Anbieter wie easy2name.com aus Großbritannien.

Die treibende Kraft der Technologie
Jedes erfolgreiche Unternehmen, das seine Spitzenstellung dauerhaft sichern möchte, ist auf die strategischen Fähigkeiten des Führungsteams und die Kompetenzen aller Mitarbeiter angewiesen. Auch künftig werden aber neue, sich weiterentwickelnde Technologien eine treibende Kraft in unserer Branche sein und Unternehmen neue Impulse geben. Blickt man auf die drupa-Messen der Jahre 2000, 2004, 2008, 2012 und 2016 zurück, ist festzustellen, dass der Digitaldruck (und speziell der Inkjet-Digitaldruck) immer mehr an Bedeutung gewonnen hat – am Ende stand dieses Anwendungsgebiet sogar im Fokus. Von der drupa 2020 ist Digitaldruck nicht mehr wegzudenken. Daher ist zu erwarten, dass sich die Aufmerksamkeit stark auf die digitale Transformation und die Hybridisierung der Druckproduktionsprozesse verlagert. Die strategischen Botschaften von Organisatoren und Ausstellern werden sich immer mehr darum drehen, die Phasen Entwurf, Beschaffung, Vorbereitung, Konfektionierung, Weiterverarbeitung, Inventarisierung und Logistik zu verknüpfen, zu automatisieren und zu digitalisieren. Und genau das sind die Erfolgszutaten, die schon jetzt der Onlinedruckproduktion und den entsprechenden Vertriebsmodellen Aufschwung verleihen– mehr davon wird sicher Wirkung zeigen.
www.drupa.com

 

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