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„Unser Wohlstand hätte ohne Welthandel nie erarbeitet werden können"

Interview mit Kai Büntemeyer, Geschäftsführender Gesellschafter von Kolbus

Das mittelständische Familienunternehmen aus dem westfälischen Rahden stellt Buchbindereimaschinen her.

Ist TTIP für Unternehmen mit eigener Produktion in den USA überhaupt von Bedeutung?
Kai Büntemeyer: TTIP ist ebenso wichtig für Unternehmen, die dort eine Produktion haben wie für Firmen, die dort nicht produzieren. Weil alle grenzüberschreitenden Prozesse heute noch behindert werden. Mehr noch durch Bürokratie, als durch Zölle. Es ist nicht so, dass wir in den USA durch hohe Zölle vom Markt ausgeschlossen würden. Es ist schlicht die Bürokratie, die es vielen nicht sinnvoll erscheinen lässt, dort aktiv an den Markt zu gehen. Kolbus hat eine kleine Produktion in den USA. Wir haben es geschafft, unsere komplizierten ERP-Systeme zur Produktionsplanung und Steuerung auf beiden Seiten des Atlantiks aufeinander abzustimmen. Und dann kommt die Bürokratie ins Spiel.
Da werden dann bestimmte Bezeichnungen nicht akzeptiert, unterschiedliche Vorschriften gemacht. Gerade für ein deutsches Unternehmen, das sich im US-Markt etablieren will, ist TTIP enorm wichtig.

Dann ist der Abbau dieser Bürokratie der größte Nutzen von TTIP?
Büntemeyer: Durch das Abkommen würde die Behinderung der Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg wegfallen. Es geht nicht darum, dass man eine eigene Produktion in den USA aufbaute, weil hohe Schutzzölle den Export von Maschinen dorthin zu teuer machten. Das ist beispielsweise in Russland oder auch in China noch der Fall. Wir als hochspezialisierter Sondermaschinenbauer müssen auch nicht mit unserer Produktion eng am Markt sein. Uns würde es reichen, wenn die Bürokratie einfacher wäre und wir dadurch Kosten sparen könnten.

Die EU hat schon über hundert Handelsabkommen abgeschlossen. Warum verhandelt man erst jetzt mit den USA darüber?
Büntemeyer: Das hat einen sehr bedauerlichen Grund. Das Anlaufen der bilateralen Verhandlungen über Freihandelsabkommen ist eine Folge des Steckenbleibens der Freihandelsgespräche in der Welthandelsorganisation. Erst seither sind bilaterale Abkommen in den Vordergrund getreten. Das ist nur die zweitbeste Lösung. Alle Experten wissen, dass man solche Abkommen nicht bilateral, sondern multilateral abschließen sollte.

Wie würde der Maschinenbau auf ein TTIP-Abkommen reagieren?
Büntemeyer: In den Köpfen von Unternehmern gibt es lange Listen von Vorhaben. Neue Produkte werden erwogen, das Erschließen neuer Märkte, die Verbesserung von Produkten durch Zusammenarbeit, die Beschleunigung von Entwicklungen. All diese Vorhaben bleiben bislang noch in der Schublade.

Es ist viel von Re-Industrialisierung in den USA die Rede. Käme da TTIP nicht genau zum richtigen Zeitpunkt?
Büntemeyer: Auf jeden Fall. Die Wiederbelebung des verarbeitenden Gewerbes in den USA kommt rasant voran. Ich glaube, dass das für viele Maschinenbauunternehmen aus Deutschland eine große Chance ist. Sie würden viel energischer eine Wertschöpfung in den USA aufbauen, wenn sie könnten. Am Ende profitieren beide Seiten davon, das ist klar. Amerikanische Produzenten haben insgesamt genauso viel davon wie europäische. Deswegen gibt es ja auch einen relativ großen Schwung, es zu machen. Deshalb sieht es ja relativ gut aus, dass etwas passieren könnte. Es gibt natürlich verschiedene Interessentenkreise, das heißt, es haben ja nicht jeder Amerikaner und jeder Europäer dieselben Interessen.

Kritiker sagen, TTIP nütze vor allem Großkonzernen.
Büntemeyer: Das ist grober Unsinn. Natürlich braucht man eine gewisse Größe, um transkontinental arbeiten zu können. Wir haben ja auch über 1000 Mitarbeiter, obwohl wir uns ausgesprochen mittelständisch führen. Aber die Schwelle sehe ich bei 50 Mitarbeitern, und das ist doch lange noch kein Großkonzern. Aber letztlich profitiert jeder Bürger in dem vergrößerten Wirtschaftsraum. Denn wir werden dadurch mehr Wachstum bekommen, der Verbraucher kann sich also hüben wie drüben etwas mehr leisten. Es ist aber leider unheimlich schwierig, für ein Vorhaben politisch zu werben, von dem alle gleichermaßen ein wenig profitieren. Viel leichter ist es, ein Vorhaben zu propagieren, von dem wenige sehr viel profitieren.

Warum bringt ausgerechnet ein Freihandelsabkommen mit den USA so viele Kritiker auf den Plan?
Büntemeyer: Ich sehe diese Kritiker sehr kritisch. Ich glaube, dass es vielen schlicht um Macht- und Privilegienerhalt mit teilweise zwielichtigen Hintergründen geht. Eigentlich wollten wir nie bilaterale Abkommen, weil man weiß, dass multilaterale über die WTO viel besser wären. Zunächst haben sich die Kritiker darauf konzentriert, die WTO-Verhandlungen zu sabotieren. Da ist ihnen inzwischen gelungen. Aber auch ein bilaterales Abkommen zwischen den USA und der EU wäre ein gewaltiger Fortschritt auf dem Weg zum freien Welthandel. Deswegen ruft dieses bilaterale Abkommen die Gegner von Freihandel wieder auf den Plan. Wobei dann ganz üble Koalitionen entstehen. Das sind Leute, die gegen alle Form von Freiheit sind.

Was müssen Politiker tun, was haben die bislang falsch gemacht, dass wir eine Diskussion in der Öffentlichkeit führen, die in weiten Strecken unsachlich ist?
Büntemeyer: Die Politiker müssten den Mut haben, die Dinge klar beim Namen zu nennen. Der Hinweis, dass TTIP sehr vielen ein bisschen bringt, ist wichtig. Auch muss man unterstreichen, dass gerade Deutschland als Exportland von Freihandel mit den USA profitiert. Dann muss man betonen, dass es in erster Linie um Waren gehen wird, die ausgetauscht werden, weniger um Dienstleistungen. Denn wir haben ja immerhin den Atlantik zwischen uns. Putzkolonnen können leicht aus Polen kommen, aber unwahrscheinlich, dass sie aus Amerika kommen. Es werden Sektoren durch TTIP befördert, in denen Deutschland besonders stark ist. Wenn wir stark bleiben wollen und wenn wir weiterkommen wollen, dann müssen wir das auch mutig fördern. Deutschland hat keine Rohstoffe, dafür sind wir Exportweltmeister. Unser Wohlstand hätte ohne Welthandel nie erarbeitet werden können.
www.vdma.org

 

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